Das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG), welches zur Umsetzung der EU- Whistleblowing-Richtlinie erlassen wurde, gilt für Unternehmen ab 50 Arbeitnehmern.
Als Hinweisgeber („Whistleblower“) gelten Personen, die aus ihrem beruflichen Umfeld Informationen über betriebliche Missstände in bestimmten Bereichen erlangen und diese Informationen weitergeben.
Das Gesetz zählt folgende Bereiche auf:
- Öffentliches Auftragswesen,
- Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte, Finanzmärkte, Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung,
- Verkehrssicherheit, Umweltschutz, Strahlenschutz,
- Produktsicherheit, Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,
- Öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre,
- Verhinderung von Straftaten nach den §§ 302 bis 309 Strafgesetzbuch (z.B. Korruption).
Verbot von Vergeltungsmaßnahmen
Vergeltungsmaßnahmen (z.B. Kündigungen, Verwarnungen, Versetzungen etc.), die gegen Hinweisgeber/innen als Reaktion auf berechtigte Hinweise erfolgen, sind rechtsunwirksam (§ 20 HSchG). Das Behindern von Hinweisgeber/innen im Zusammenhang mit einer Hinweisgebung oder das Ergreifen unzulässiger Vergeltungsmaßnahmen ist gemäß § 24 HSchG mit hohen Verwaltungsstrafen bedroht (bis zu € 20.000,00, im Wiederholungsfall sogar bis zu € 40.000,00). Dieselbe Strafdrohung gilt aber auch für Hinweisgeber/innen, die wissentlich falsche Hinweise erstatten.
Einrichtung eines internen Meldesystems (z.B. „Whistleblowing-Hotline“)
Das HinweisgeberInnenschutzgesetz sieht außerdem vor, dass Unternehmen ab 50 Arbeitnehmern künftig verpflichtet sind, ein internes Meldesystem (z.B. Whistleblowing-Hotline, elektronischer Briefkasten o.ä.) einzurichten, wobei je nach Unternehmensgröße (Arbeitnehmeranzahl) folgender Zeitplan gilt (§ 28 HSchG):
- Bei einer Arbeitnehmerzahl zwischen 50 und 249 muss die Einrichtung des Meldesystems spätestens bis 17. Dezember 2023 erfolgen.
- Bei einer Arbeitnehmerzahl ab 250 muss (aufgrund einer sechsmonatigen Übergangsfrist) die Einrichtung des Meldesystems bis spätestens 25. August 2023 erfolgen.
- In Unternehmen mit wechselnder Anzahl an Beschäftigten (z.B. wegen saisonaler Schwankungen) kommt es auf die durchschnittliche Arbeitnehmeranzahl während des jeweils vorangegangenen Kalenderjahres an.
Für Unternehmen, die die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle nicht erfüllen, ist im Gesetz zwar keine Strafsanktion vorgesehen, allerdings können sich Hinweisgeber diesfalls ohne weitere Voraussetzungen direkt an externe Behörden (z.B. Strafgericht, Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung) wenden. Um dies zu vermeiden, liegt es daher im eigenen Interesse des Unternehmens, eine möglichst leicht zugängliche interne Meldemöglichkeit zu schaffen, um allfällige Rechtsverstöße unternehmensintern abklären zu können.
Wichtige Grundsätze für die praktische Umsetzung des HinweisgeberInnenschutzgesetzes
Die Schaffung eines Hinweisgebersystems ist „Chefsache“!
Bei der Ausgestaltung eines Hinweisgebersystems sind wesentliche Grundsatz-Entscheidungen über finanzielle und personelle Mittel im Unternehmen erforderlich. Die Schaffung eines Hinweisgebersystems startet daher i.d.R. in der obersten Führungsebene (Geschäftsführung). Auch wenn Aufgaben und Kompetenzen delegiert werden können (z.B. an die Personal- oder die Rechtsabteilung), bleibt die Verantwortung bei der Geschäftsleitung.
Einbindung von Personalabteilung und Betriebsrat (sofern vorhanden)!
Bei der Implementierung eines Whistleblowing-Systems im Unternehmen sollte aufgrund der Auswirkungen für die Belegschaft auf die Expertise und Praxiserfahrung des Personalwesens nicht verzichtet werden.
Der Betriebsrat ist aufgrund des allgemeinen Informationsrechts (§ 91 ArbVG) über die bevorstehende Errichtung eines internen Meldesystems zu informieren (insbesondere über die Art der Meldewege und deren Ausgestaltung). Die Einbindung der Belegschaftsvertretung (z.B. bei der Auswahl einer anzukaufenden Software-Anwendung für die einzurichtenden Meldewege) erscheint auch im Sinne einer möglichst hohen Akzeptanz des Hinweisgebersystems durch die Belegschaft sinnvoll.
Anonyme Meldungen sind zulässig, aber kein „Muss“!
Hinweise können je nach Wunsch des Hinweisgebers offen oder anonym erfolgen. Anonyme Hinweise sind z.B. im Wege einer Telefon-Hotline (mit unterdrückter Telefonnummer) oder einer entsprechend gestalteten web-basierten Lösung denkbar. Für ein gutes Hinweisgebersystem ist es wichtig, dass die Meldestelle die Möglichkeit zu Rückfragen beim Hinweisgeber hat (z.B. bezüglich auftauchender Unklarheiten oder Ergänzungsfragen). Im Falle eines anonymen Schreibens per Post scheiden Rückfragen naturgemäß aus. Bei digitalen Plattformen gibt es hingegen mittlerweile oftmals die Option, eine Korrespondenz anonym weiterzuführen (z.B. über einen elektronischen Postkasten).
Vertraulichkeit und Datenschutz!
Wichtig ist, dass die Berechtigung zur Entgegennahme und Bearbeitung von Whistleblower-Hinweisen nur einem kleinen Personenkreis eingeräumt werden sollte. Es ist strikte Vertraulichkeit zu wahren. Insbesondere muss die Identität des Hinweisgebers (sofern dieser gegenüber der Meldestelle nicht ohnehin anonym auftritt) und von verdächtigten Personen strikt geheim gehalten werden. Ohne Zustimmung der betreffenden Person darf die Identität – außer gegenüber befugten Mitarbeitern des Hinweisgebersystems – niemandem offengelegt werden.
Gleichzeitig ist auf die Bestimmungen der DSGVO Rücksicht zu nehmen. Für die im Zuge einer Hinweisgebung verarbeiteten Personendaten gilt somit u.a. der Grundsatz der Datenminimierung, die Pflicht zur Löschung nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen. Die in der DSGVO vorgesehenen Informations-, Auskunfts- und Löschungsrechte sind hingegen dann eingeschränkt, wenn dies zum Schutz der Identität des Hinweisgebers oder zur Vermeidung Verschleppungsversuchen einer verdächtigten Person erforderlich ist (§ 8 Abs. 9 HSchG). Falls es im Unternehmen einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten gibt (die Bestellung eines solchen ist in Österreich nicht generell verpflichtend), empfiehlt es sich unbedingt, diesen bei der Konzeption des Whistleblowing-Systems miteinzubeziehen.
Wissentliche Falschmeldungen (z.B. Verleumdungen) sind unzulässig und strafbar!
Geschützt wird ein Hinweisgeber vom neuen Gesetz nur dann, wenn er mit gutem Grund – auf Grundlage durchschnittlichen Allgemeinwissens (ohne juristische Kenntnisse) – annehmen kann, dass der von ihm gegebene Hinweis wahr ist und in den Geltungsbereich des Hinweisgeber/innenschutzgesetzes fällt (vgl. § 6 Abs. 1 HSchG). Der Schutz geht also nicht rückwirkend verloren, wenn sich im Nachhinein die Unrichtigkeit des Hinweises herausstellt.
Hingegen sind Hinweise, die offensichtlich falsch sind, von der Meldestelle zurückzuweisen und der Hinweisgeber darauf aufmerksam zu machen, dass derartige Hinweise Schadenersatzansprüche begründen und bei wissentlicher Falschmeldung sogar strafbar sein können. Dem wissentlichen „Falschmelder“ droht je nach Sachverhalt eine verwaltungsstrafrechtliche Sanktion nach dem HinweisgeberInnenschutzgesetz oder eine gerichtliche Strafverfolgung nach dem Strafgesetzbuch.
Verhältnis zu Verschwiegenheitspflichten!
Wenn ein Hinweisgeber einen Hinweis unter Einhaltung aller Bestimmungen des HSchG erstattet, so wird dies nicht als Verletzung von Geheimhaltungspflichten gewertet (§ 22 Abs. 2 HSchG). Daraus ergibt sich – wenn der Hinweis im Einklang mit dem HSchG steht und zur Aufdeckung bzw. Verhinderung von Rechtsverletzungen notwendig erscheint – ein prinzipieller Vorrang des HSchG gegenüber Verschwiegenheitsklauseln.
Verstöße gegen Arbeitsrecht sind vom HSchG nicht erfasst
Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften (z.B. Lohndumping, Arbeitszeitverstöße, Diskriminierungen, sexuelle Belästigungen, Mobbing etc.) sind vom HinweisgeberInnenschutzgesetz zwar nicht umfasst, können aber vom Unternehmen freiwillig in das „Whistleblowing-System“ einbezogen werden.
Konkrete Schritte für die praktische Errichtung eines Hinweisgebersystems im Unternehmen
Die Schaffung eines Hinweisgebersystems kann beispielsweise in folgenden fünf Schritten erfolgen:
- Festlegung einer geeigneten internen Meldestelle für Whistleblowing-Hinweise: z.B. Compliance-Abteilung, Rechtsabteilung, Personalabteilung, Ombudsstelle, Bestellung eines eigenen Whistleblowing-Beauftragten oder Zusammenarbeit mit einem (externen) Rechtsanwalt.
- Auswahl von geeigneten Meldekanälen: In der Praxis sind internet-basierte Lösungen (z.B. ein elektronischer Briefkasten) „auf dem Vormarsch“. Es gibt am Software-Markt bereits einige interessante Produkte (digitale Hinweisgebersysteme), die hohe Sicherheitsstandards und zahlreiche technische Möglichkeiten aufweisen (z.B. anonymisierte Korrespondenz, IT-mäßig gesicherte Zugriffsbeschränkung).
- Festlegung klarer Regelungen und eines Verfahrens betreffend Umgang und Dokumentation von Hinweisen: Die innerbetrieblichen Regeln für das Hinweisgeberverfahren können beispielsweise durch eine betriebsinterne Richtlinie (Dienstanweisung) oder mittels Betriebsvereinbarung festgelegt werden.
- Information an alle Führungskräfte über das Hinweisgebersystem: Der gesetzliche Schutz von Hinweisgebern vor Vergeltungsmaßnahmen ist im betrieblichen Alltag von den agierenden Führungskräften strikt zu beachten. Zuwiderhandeln kann für das Unternehmen teuer werden (Unwirksamkeit von Vergeltungskündigungen, empfindliche Verwaltungsstrafen, Schadenersatzansprüche).
- Information an die Belegschaft über das Hinweisgebersystem: Potentielle Hinweisgeber müssen – damit das System auch praktisch funktionieren kann – über die Spielregeln Bescheid wissen. Wichtig ist daher eine offene Kommunikation und Aufklärung gegenüber den Mitarbeitern (z.B. durch ein Rundschreiben oder eine Information im Intranet)
Im Bedarfsfall unterstützen wir Sie gerne bei der Errichtung eines Hinweisgebersystems. Ebenso stehen wir für fachliche Rückfragen gerne unter office@kps-partner.at oder +43 2236 506 220 zur Verfügung.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Alle Bezeichnungen gelten für alle Geschlechter.