Verpflichtender Ansatz latenter Steuern im Jahresabschluss 2016 für große und mittelgroße Kapitalgesellschaften

Wie von uns hier berichtet ergeben sich durch das RÄG 2014 auch umfassende Änderungen im Bereich der latenten Steuern. Diese sind erstmalig für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2015 beginnen. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen:

  • Umstellung von „timing concept“ (Ermittlung der latenten Steuern aus der laufenden Mehr-Weniger-Rechnung) auf „temporary concept“ (Ermittlung der latenten Steuern auf Basis der temporären Differenzen zwischen unternehmensrechtlichem und steuerrechtlichem Ansatz zum jeweiligen Bilanzstichtag).
  • Ansatz latenter Steuern auch auf quasipermanente Differenzen (bisher nicht erlaubt).
  • Verpflichtender Ansatz auch von aktiven latenten Steuern für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften. Bisher galt die Verpflichtung nur für passive latente Steuern, für aktive latenten Steuern bestand ein Wahlrecht.
  • Neu ist auch ein Ansatzwahlrecht für aktive latente Steuern aus steuerlichen Verlustvorträgen unter bestimmten Voraussetzungen.

Latente Steuern resultieren aus Unterschieden zwischen steuerlichen und unternehmensrechtlichen Wertansätzen. Aktive latente Steuern bilden zukünftige Steuervorteile, passive latente Steuern zukünftige Steuerlasten ab. Bis zum RÄG 2014 wurden latente Steuern nach dem sog. „timing concept“ ergebnisorientiert ermittelt. Die steuerliche Mehr-Weniger-Rechnung wurde dahingehend untersucht, ob sich die Unterschiede zwischen unternehmensrechtlichen und steuerlichen Ergebnis in Folgejahren umkehren werden.

Gemäß RÄG 2014 erfolgt, in Umsetzung der Bilanzrichtlinie der EU, eine Umstellung auf den bilanzorientierten Ansatz („temporary concept“), so wie bisher bereits gemäß IFRS (IAS 12) und in Deutschland gemäß § 274 dHGB seit 2010 (BILMOG). Beim bilanzorientierten Ansatz werden den Jahresabschlussposten gem. Unternehmensrecht, die jeweils korrespondierenden steuerlichen Werte („Steuerbilanz“) gegenübergestellt. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob Differenzen zwischen Unternehmens- und Steuerrecht ergebniswirksam entstanden sind oder nicht, solange sie sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich wieder auflösen. Findet in Folgejahren eine Umkehr wahrscheinlich statt, handelt es sich um temporäre Differenzen, für die latente Steuern zu bilden sind. Kommt es nie zu einer Umkehr, handelt es sich um permanente Differenzen und es kommt zu keiner Berücksichtigung von latenten Steuern.

Im Unterschied zum ergebnisorientierten Ansatz vor RÄG 2014, werden nun auch quasipermanente Steuerlatenzen berücksichtigt, beispielsweise latenten Steuern auf unbebaute Grundstücke, welche erst bei Verkauf des Grundstücks oder Liquidation realisiert werden, was mitunter erst in ferner Zukunft passieren wird.

Aktive und passive latente Steuern sind, wie bereits bisher, zu saldieren. Gibt es einen passiven Überhang an latenten Steuern, ist dieser in der Bilanz unter den Rückstellungen auszuweisen, liegen in Summe aktive latente Steuern vor, sind diese unter einem eigenen Bilanzposten „Aktive latente Steuern“ unterhalb der aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen. Nur wenn aktive und passive latente Steuern unterschiedliche Steuerbehörden betreffen (z.B. im Konzernabschluss) ist eine Saldierung untersagt. In Anlehnung an IAS 12 hat, im Unterschied zu anderen langfristigen Rückstellungen, explizit keine Abzinsung zu erfolgen, da sich die Auflösung meist über mehrere Jahre hinweg verteilt.

Im Gegensatz zu früher, sind für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften nicht nur ein Überhang an passiven latenten Steuern in Form einer Rückstellung verpflichtend, sondern sind auch aktive latente Steuern aus temporären Differenzen zu bilanzieren. Für kleine Kapitalgesellschaften besteht weiterhin ein Wahlrecht.

Voraussetzung für die Bilanzierung aktiver latenter Steuern ist, dass ausreichend zukünftige steuerpflichtige Einkünfte vorliegen, so dass die Umkehrwirkungen der temporären Differenzen und die steuerlichen Verlustvorträge (im Fall einer Aktivierung) tatsächlich verwertet werden können. Dies ist mittels einer Planungsrechnung, welche die Umkehreffekte sämtlicher temporärer Differenzen und sonstige positive und negative Einflussfaktoren berücksichtigt, nachzuweisen.

Der Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung erfolgt gesondert innerhalb der „Steuern aus Einkommen und Ertrag“.

Aktivierung latenter Steuern für steuerliche Verlustvorträge

Erstmals mit dem RÄG 2014 dürfen auch aktive latente Steuern für künftige Ansprüche aus steuerlichen Verlustvorträgen in dem Ausmaß angesetzt werden

1. in dem ausreichende passive latente Steuern vorhanden sind oder

2. soweit überzeugende substanzielle Hinweise vorliegen, dass ein ausreichendes zu versteuerndes Ergebnis in Zukunft zur Verlustver­rechnung zur Verfügung stehen wird. Das Gleiche gilt für sonstige aktive Steuerabgrenzungen in Verlustjahren. Diese substanziellen Hinweise sind in die Anhangangaben nach § 238 Abs 1 Z 3 UGB aufzunehmen.

Das Vorsichtsprinzip ist zu beachten! Unter substanziellen Hinweisen versteht der Gesetzgeber eine hinreichende Untersuchung der Entstehungsursachen der Verluste und schlüssige Argumente, dass diese Ursachen beseitigt wurden. Für die Beurteilung der zukünftigen Verwertung der Verluste wird in der Praxis insbesondere eine Steuerplanungsrechnung notwendig sein. Im Gegensatz zum deutschen Gesetzgeber ist der Betrachtungszeitraum in Österreich gesetzlich nicht vorgegeben, es ist auf die jeweiligen Gegebenheiten des Unternehmens abzustellen. Der in Deutschland gültige Zeitraum von 5 Jahren mag natürlich als Anhaltspunkt dienen. Bei einem längeren Betrachtungszeitraum ist dies, bei prüfungspflichtigen Gesellschaften, sicherlich mit dem Wirtschaftsprüfer abzustimmen.

Ausnahmen

Zum Ansatz von latenten Steuern sind gem. § 198 Abs 10 UGB folgende Ausnahmen zu beachten. Latente Steuern sind, in Anlehnung an IAS 12, insoweit nicht zu berücksichtigen, als sie

1. aus dem erstmaligen Ansatz eines Geschäfts-(Firmen)werts stammen;

2. aus dem erstmaliger Ansatz eines Vermögensgegenstandes oder einer Schuld bei einem Geschäftsvorfall resultieren, der

  • keine Umgründung im Sinne des § 202 Abs 2 UGB oder Übernahme iSd § 203 Abs 5 UGB ist und
  • zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls keinen Einfluss auf das steuerliche Ergebnis hat;

3. in Verbindung mit Anteilen an Tochtergesellschaften, assoziierten Unternehmen oder Gemeinschaftsunternehmen stehen, wenn das Mutterunternehmen den zeitlichen Verlauf der Auflösung steuern kann und es wahrscheinlich zu keiner Auflösung kommen wird (z.B. Tochterunternehmen wird nicht verkauft).

Gemeint sind hier Firmenwerte im UGB-Abschluss, die bei einem Asset Deal (Übernahme Betrieb oder Teilbetrieb, z.B. Erwerb Einzelunternehmen oder Personengesellschaft) oder bei Umgründungen gem. § 202 Abs 2 UGB (Einbringungen, Umwandlungen, Verschmelzungen, Realteilungen und Spaltungen) zustande kommen. Da sich die Ausnahme explizit auf den erstmaligen Ansatz bezieht, kann es jedoch vorkommen, dass nach dem erstmaligen Ansatz des Firmenwerts sehr wohl temporäre Differenzen entstehen, für die aktive latente Steuern zu berücksichtigen sind, insb. aufgrund unterschiedlicher Nutzungsdauern (10 Jahre in der UGB-Bilanz versus zwingend 15 Jahre in der Steuerbilanz).

Umgründungsvorgänge oder Betriebsübernahmen werden somit ab 2016 bei der Bildung und Auflösung von latenten Steuern grundsätzlich berücksichtigt, soweit dies nicht den Geschäfts-(Firmen-)wert betrifft. Sonstige erfolgsneutral entstandene Steuerlatenzen werden jedoch nicht berücksichtigt. Ein Beispiel dafür ist der unterschiedliche Wertansatz bei Kauf eines PKWs mit Anschaffungskosten über Euro 40.000 (max. steuerliche Anschaffungskosten). Der Bewertungsunterschied entsteht erfolgsneutral und darf daher – obwohl er sich in Folgejahren auf die Höhe der steuerlich zulässigen Abschreibung auswirkt – nicht berücksichtigt werden. Eine temporäre Differenz aus einer unterschiedlichen unternehmensrechtlichen Nutzungsdauer im Vergleich zum Steuerrecht (8 Jahre) ist jedoch sehr wohl als aktive latente Steuer zu berücksichtigen.

Differenzen betreffend den unternehmensrechtlichen versus den steuerlichen Beteiligungsansatz dürfen, ebenfalls angelehnt an IAS 12, nicht bei der Bilanzierung latenter Steuern berücksichtigt werden, sofern die Differenz sich, gemäß dem Willen des Mutterunternehmens, nicht auflösen wird. Erst bei Absicht des Mutterunternehmens, das Tochterunternehmen zu verkaufen oder zu liquidieren, sind vorhandene Bewertungsunterschiede (z.B. aus eingeschränkten Abschreibungsmöglichkeiten nach Steuerrecht im Fall von ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibungen, oder einer steuerlichen Firmenwertabschreibung bei einer Unternehmensgruppe gem. § 9 KStG) als latente Steuern zu berücksichtigen.

Ausschüttungssperre

In Höhe der in der Bilanz ausgewiesenen aktiven latenten Steuern besteht gem. § 235 Abs. 2 UGB aufgrund des Vorsichtsprinzips eine Ausschüttungssperre.

Anhangangaben

Gemäß § 238 Abs. 1 Z 3 UGB ist im Anhang anzugeben, auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchem Steuersatz die Bewertung erfolgt ist. Darüber hinaus müssen die im Laufe des Geschäftsjahres erfolgten Bewegungen (Auflösung, Dotierung) der latenten Steuersalden angegeben werden. Dies kann in Form eines Spiegels je nach Art der Herkunft der Steuerlatenzen erfolgen (z.B. Anlagevermögen, Personalrückstellungen, Verlustvorträge, etc).

Entscheiden sich kleine Kapitalgesellschaften zur Aktivierung von latenten Steuern sind auch kleine Kapitalgesellschaften verpflichtet, die oben dargestellten Angaben im Anhang zu machen.

Übergangsbestimmungen

Die Übergangsbestimmungen zur erstmaligen bzw. geänderten Bilanzierung von latenten Steuern finden sich in § 906 Abs. 33 und 34 UGB. Eine Verteilung des 2016 nachzuholenden Betrages ist gleichmäßig auf längstens fünf Jahre zulässig. Der zu verteilende Betrag kann entweder jährlich direkt den aktiven oder passiven latenten Steuern zugeführt werden oder über einen aktiven oder passiven Rechnungsabgrenzungsposten abgegrenzt werden, welcher jährlich über längstens 5 Jahre aufgelöst wird. Ohne Anwendung der Verteilungsmöglichkeit, ist der volle Unterschiedsbetrag zum Erstanwendungszeitpunkt ergebniswirksam zu erfassen.

Auf den Punkt gebracht

Durch das RÄG 2014 sind, erstmalig für Jahresabschlüsse die nach dem 31.12.2015 beginnen, auch aktive latente Steuern von mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften verpflichtend anzusetzen. Für die Bilanzierung von aktiven latenten Steuern auf steuerliche Verlustvorträge besteht ein Wahlrecht. Durch die Umstellung auf die bilanzorientierte Ermittlung („temporary concept“) und die Einbeziehung von latenten Steuern auf quasipermanente Differenzen ergeben sich mitunter auch Änderungen bei Gesellschaften die bereits bisher latenten Steuern im vollen Ausmaß bilanziert haben. Ausnahmen wurden in enger Anlehnung an die IAS 12 normiert.