Die Corporate Sustainability Reporting Directive der EU wird nicht nur die Berichterstattung über Nachhaltigkeit gravierend verändern, sondern auch das Nachhaltigkeitsmanagement selbst. Denn die Wahrnehmung von Sorgfaltspflichten durch Unternehmen für ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft wandert vom Marketing zum CFO.
Lange Zeit schon wird von Unternehmen verlangt Rechenschaft über ihre Entscheidungen und Aktivitäten hinsichtlich ihrer positiven, aber auch negativen Auswirkungen auf Menschen und Natur abzulegen. In den letzten Jahren mit zunehmender Heftigkeit, nicht zuletzt durch junge Generationen, die sich mit dem Diktat der Profitabilität „um jeden Preis“ und vor allem auf Kosten ihrer Zukunft nicht mehr abfinden wollen. Für Unternehmen in umwelt- und gesellschaftskritischen Branchen wird es zunehmend schwerer Produkte am Markt zu platzieren, oder auch gut ausgebildete junge MitarbeiterInnen zu finden. ManagerInnen der jüngeren Generation im Wissen um die gefährdete Zukunft ihrer eigenen Kinder, gehen zunehmend in die innere Emigration, oder auf die Suche nach „wertvolleren“ Aufgaben außerhalb des Unternehmens.
Vorsprung durch erweiterte Perspektive
Aber nicht nur die Sichtweise der Gesellschaft hat sich verändert, auch die Umweltbedingungen, zunehmend krisenhafte Ereignisse biophysischer (wirtschaftliche Schäden und Einschränkungen durch Klimaveränderungen) und geopolitischer Natur (instabile Staaten, schwache Nationalpolitiken, Ukraine-Krieg, Reaktion auf die Pandemie) führen zu Ressourcenknappheit und instabilen Lieferketten, und beinträchtigen das Geschäft.
Doch nicht zuletzt die gegenwärtige Energiekrise zeigt deutlich, wie wichtig der unternehmerische Blick in die Zukunft ist, um Risiken nicht nur kurzfristig sowie finanziell und technisch zu antizipieren, sondern um durch die um Umwelt- und Gesellschaftsthemen erweiterte Perspektive, zeitgerecht Anpassungen des Geschäftsmodels, von Prozessen, Produkten und Services vornehmen zu können. Unternehmen, die Nachhaltigkeit bisher als „nice to have“ und vorwiegend für Imagepflege im Bereich des Marketings angesiedelt hatten, werden abseits davon keinerlei Vorteile generieren können.
Grüne Technologieführerschaft
Unternehmen die Nachhaltigkeitsdenken und -handeln bereits länger in ihre Entscheidungs- und Handlungsstrukturen integriert haben, sind nun im Vorteil. Und genau darauf zielt der EU Green Deal und die Vielzahl der Strategien und Richtlinien daraus ab: Im Zeichen existentieller Bedrohungen für Bürger und Wirtschaft, sowie unseren in den letzten 70 Jahren erarbeiteten Wohlstand durch Klimawandel und Umweltzerstörung, hat sich die europäische Staatengemeinschaft als erster Kontinent zu einer Strategie für Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft verpflichtet. Europäische Unternehmen sollen dadurch Markt- und Technologieführerschaft in modernsten sauberen Technologien und hochqualitativen, langlebigeren Produkten erlangen, um so zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit und Krisenfestigkeit der Industrie zu stärken.
Neue Transparenz
Eine der vielen Maßnahmen zur Erreichung der europäischen Ziele, ist die Offenlegung von Unternehmensinformationen zur Beurteilung, inwieweit diese zu den Zielen beitragen, oder diese Zielerreichung beeinträchtigen. Mit den Bestimmungen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll die bisher geltende „nichtfinanzielle Berichtspflicht“ nun als „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ für europäische Unternehmen im Hinblick auf Anwendungsbereich, Umfang und Verankerung in der Corporate Governance deutlich erweitert werden. Und das ist dringend nötig, denn die Defizite in der gegenwärtigen Berichterstattungspraxis sind enorm. Die Zukunft der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung wird nun per Verordnung zur einer vollständigen und geprüften Umwelt- und Sozialbilanz, die zugleich näher an die Finanzberichterstattung rückt.
Die Vorgaben der NFI-Richtlinie sind in Österreich mit dem Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) bereits 2017 in Kraft getreten. Die Umsetzung im kleinen Kreis der Anwendungspflichtigen (schätzungsweise 120 Unternehmen in Österreich) erfolgte jedoch eher wenig ambitioniert und mit rechtlichen Unschärfen. Berichtslegung war kaum standardisiert und auch wenn viele österreichische Unternehmen die Berichtsstandards der Global Reporting Initiative (GRI) anwenden, so ist die Vergleichbarkeit der darin präsentierten Daten weitgehend gering. Für die Qualitätssicherung der eigenen Rechenschaftspflichten ist bisher einzig das Unternehmen selbst – und dort primär der Aufsichtsrat – verantwortlich, da eine verpflichtende externe Prüfung z. B. durch die AbschlussprüferInnen bisher nicht vorgesehen war. Die berichtsrelevanten Themen sind im Rahmen einer sogenannten „Wesentlichkeitsanalyse“ vom jeweiligen Unternehmen selbst zu identifizieren.
Vorbereitung braucht Zeit
Sowohl die Zahl der Unternehmen und Konzerne, die zukünftig berichtspflichtig sein sollen, als auch die Berichtspflichten selbst werden maßgeblich erweitert. Finanzielle und nichtfinanzielle Berichterstattung verschmelzen und werden weitgehend auf Augenhöhe in puncto Anforderungen bei der Finanzberichterstattung verortet. Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Nachhaltigkeitsleistung muss von nun an vom Unternehmen erarbeitet und belegt werden. Neu zu tätigende Investitionen sind an die Erreichung der Klimaziele anzupassen und quantitativ darzustellen.
Interne Voraussetzungen schaffen
Der erweiterte Umfang der Sachverhalte über die zu berichten ist sowie deren Zusammenhänge, Synergien und Zielkonflikte, bedarf einer sorgfältigen Analyse von Organisation hinsichtlich der gesamten Wertschöpfungskette, inklusive aller vor- und nachgelagerten Prozesse sowie Umweltauswirkungen, ebenso wie im Zusammenhang mit der Auswirkung auf alle Stakeholder – immer auch mit dem Blick auf die Zukunftsziele der europäischen Staatengemeinschaft (klimaneutral 2050, niemanden zurücklassen). Gleichermaßen müssen dabei Umwelt- und gesellschaftliche Veränderungen miteinbezogen werden, die durch den Klimawandel sowie dafür nötige Adaptionen maßgeblich Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg haben und finanziell dargestellt werden. Es ist daher wichtig, Überlegungen dazu anzustellen, welcherart sich das Geschäftsmodell am erfolgreichsten Anpassen kann bzw. inwieweit bestehende Prozesse, Produkte und Services verändern müssen, um maßgeblich zu dieser „grünen“ und „fairen“ Zukunft beitragen zu können.
ESG – Environmental, Social & Governance
ESG ist ein Ansatz zur Bewertung des Ausmaßes, in dem ein Unternehmen für diese Ziele arbeitet, also nicht nur finanziellen Mehrwert für AktionärInnen schafft, sondern alle Kapitalien heute schon für die Zukunft mit größter Sorgfalt managt. Über finanzielles und materielles Kapital hinaus, sind dies Sozialkapital, Humankapital und Umweltkapital. Analysten und Investoren begrüßen diese erhöhte Transparenz und die Darstellung langfristiger Zukunftsaussichten von Unternehmen. Trifft diese Erwartungen zwar nur börsennotierte Gesellschaften, werden jedoch in weiterer Folge auch nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften und KMUs betroffen sein, da sich die meisten in Lieferkettenbeziehungen zu großen Gesellschaften befinden und wiederum deren Informationsbedürfnisse hinsichtlich ihrer Lieferketten erfüllen werden müssen.
Fazit
Egal ob die neuen Berichterstattungspflichten bereits wie vorgeschlagen 2023 in Kraft treten, oder wie von Österreich angestrebt erst 2025 und danach gestaffelt für große Gesellschaften und KMUs: um den europäischen Offenlegungspflichten, aber auch den Erwartungen von Banken und Geschäftspartnern oder Kunden entsprechen zu können, ist es von großer Wichtigkeit in einem ersten Schritt die internen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Strategische und organisatorische Umstellungen, Ressourcenbereitstellung und Wissensaufbau im Unternehmen zu diesen neuen Themen, sowie der Aufbau des notwendigen bereichsübergreifenden Wissens- und dazugehörigen Datenmanagements brauchen Zeit. Auf keinen Fall sind dies Aufgaben die von Marketing oder externen Kommunikationspartnern geleistet werden können, denn sie bedürfen interner Strukturen und Handlungen ebenso wie der Involvierung vieler bis hin zu Geschäftsführung und Vorstand. Noch ist Zeit sich auf diese neuen Herausforderungen solide vorzubereiten und die sich daraus ergebenden Chancen wahrzunehmen – nützen sie diese und beginnen Sie schon heute damit.
Autorin: Mag. Karin Huber-Heim, Expertin für unternehmerische Nachhaltigkeit und Kommunikation, Geschäftsführung von csr and communication
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